Paddy Ahern reiste häufig in der Grafschaft Limerick. Hier und dort am Wege blieb er über Nacht. Aber es brauchte nicht lange, bis er einsah, dass er nirgends willkommen war. Denn die Leute in dieser Gegend sind zwar gastfreundlich, aber sie erwarten auch, dass der Fremde ihnen den Abend mit einem Lied oder einer Geschichte zu verkürzen weiß. Aber diese Fähigkeiten gingen dem guten Paddy ganz und gar ab.
Eines Nachts, als er wieder einmal in einer einsamen Gegend an eine Haustür klopfte, öffnete ihm ein seltsamer düster dreinblickender Mann, der sagte: „Willkommen Paddy Ahern. Komm herein, und setz dich ans Feuer“. Paddy begriff nicht recht, woher der Mann seinen Namen kannte, aber er traute sich auch nicht, danach zu fragen, denn alles wirkte sehr unheimlich. Sie aßen, der Mann zeigte Paddy seinen Schlafplatz und bald war Paddy eingeschlafen.
Aber lange währte die Ruhe nicht. Er war kaum eingeschlafen, als die Tür aufflog und drei Männer hereinkamen, die einen Sarg hinter sich herzogen. Paddy sah sich Hilfe suchend nach seinem Gastgeber um, aber der war verschwunden.
„Wer wird uns helfen den Sarg zu tragen?“ fragte einer der drei Männer. „Wer wohl? Frag nicht so dumm. Da kommt doch nur Paddy Ahern in Frage“, antworteten die beiden anderen. Zitternd vor Angst und Schrecken musste Paddy aufstehen und gemeinsam mit den Männern den Sarg tragen. Hinaus ging’s über offenes Feld. Paddy wurde durch Gräben und Hecken gezerrt und jedes Mal wenn er stehen bleiben wollte, wurde er beschimpft und getreten. Endlich kamen sie zu einem einsamen, schrecklich aussehenden Friedhof.
„Wer hebt den Sarg über die Mauer?“ fragte der eine Mann. „Wer wohl? Frag nicht so dumm“, antworteten die anderen. „Da kommt doch nur Paddy Ahern in Frage.“ Paddy musste den Sarg über die Mauer heben, obwohl er sich dabei fast Arme und Beine ausrenkte.
„Wer schaufelt das Grab?“ fragte der erste Mann. „Wer wohl? Frag nicht so dumm. Da kommt doch nur Paddy Ahern in Frage“, lautet die Antwort. Sie gaben ihm Spaten und Schaufel und zwangen ihn, zu graben. Als die Grube ausgeschachtet war, fragte der erste Mann:
„Wer öffnet den Sarg?“ „Wer wohl? Frag doch nicht so dumm. Da kommt doch nur Paddy Ahern in Frage, “ antworteten die anderen. Paddy, einer Ohnmacht nahe, muss sich hinknien, die Schrauben herausdrehen und den Sargdeckel abnehmen. Und wisst ihr was? Der Sarg war leer, obwohl er so schwer zu schleppen war.
„Wer legt sich in den Sarg?“ fragt der erste Mann. „Wer wohl? Frag doch nicht so dumm“, antworteten die beiden anderen. „Da kommt doch nur Paddy Ahern in Frage.“
Sie wollten Paddy ergreifen, aber der war schon davongerannt. Mit einem Sprung war er über der Mauer und rannte weiter übers offene Feld. Die Männer aber blieben ihm auf den Fersen. Jedes Mal wenn sie aufholten, nahm er seine Kraft zusammen und rannte noch etwas schneller. Dann sah er Licht in einem Fenster und schrie so laut er konnte um Hilfe. Endlich am Haus angelangt, klopfte er und was meint ihr, wer ihm da öffnete? Sein düsterer, unheimlicher Gastgeber vom Abend zuvor.
Das war zuviel. Ohnmächtig sank Paddy zu Boden. Als er wieder zu sich kam, war heller Tag und der unheimliche Mann machte sich in der Küche zu schaffen. Paddy wollte keine Minute länger bleiben und zog seine Kleider an, die keine Spuren der vergangenen Nacht zeigten.
„Hör mir zu“, sprach der düstere Mann. „Du hast mir Leid getan. Ein junger Bursche, der keine Geschichte und kein Lied kennt. Jetzt hast du nun eine Geschichte, die du abends an den Torffeuern erzählen kannst?“ Der arme Paddy gab keine Antwort, griff nur nach seinem Bündel und rannte so schnell ihn die Füße trugen aus dem Haus. Erst als er schon ein gutes Stück hinter sich gebracht hatte, wagte er es, sich noch einmal umzuschauen. Aber hinter ihm lagen nur offene Felder, auf denen einige Kühe grasten.
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