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Gruselgeschichte: Der sitzende Besucher

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Wir waren ziemlich abergläubisch. Das waren wir alle, meine Mutter, mein Vater, Großeltern und Lehrer, Nachbarn, Trainer und Busfahrer. Wir liebten unser Leben nach vielen Traditionen, die auf den ersten Blick naiv und altmodisch erscheinen mögen. Wir alle lebten gut und brav, in dem wir dem gemeinsamen Bauchgefühl gehorchten. Und dass enttäuschte uns nie, solange wir auf unsere Sprüche hörten. Natürlich klangen nicht alle von ihnen von Natur aus so beunruhigend, wie der Leere Stuhl.

Manche waren nur Zeichen auf die wir achteten. Wenn z.b. ein Schmetterling in eurem Haus ist, bedeutet das, dass ihr bald Besuch bekommen werdet. Andere waren kleine Tricks, die euch das Leben erleichtern können. Wenn ihr z.b. wollt das Besucher euer Haus verlassen, dann hilft ein bisschen Salz in den Schuhen. Und einige waren, nun ja, ein bisschen beunruhigt, denke ich – z.b. Wenn man sich über ein Geländer lehnt, packt einen der Teufel und zieht einen zu Boden.

Doch das können wir nicht wirklich überprüfen, leider. Und derjenige, den ich in meinem Leben am häufigsten gehört habe, ist der über den Stuhl. Lass niemals einen Stuhl in deinem Schlafzimmer nachts leer stehen. Mein Vater, wiederholte es jeden Abend wie ein Gebet, als ich noch klein war. Und meine Mutter kam später am Abend immer vorbei, um sich zu vergewissern, dass ich einen Rucksack, ein paar Bücher oder auch nur eine Jacke auf meinem Schreibtischstuhl liegen hatte, es war der einzige in meinem Zimmer.

Als ich älter wurde, brauchte man mich nicht mehr daran zu erinnern. Der Satz war tief in meinem Gehirn verankert. Allerdings hörte ich nachts immer noch Mamas Schritte. Ich nehme an, sie wollte ganz sicher sein, dass sich nachts niemand neben mich setzt. Als ich jünger war, verstand ich nicht, warum das für alle die ich kannte so wichtig war. Für mich gab es eine einfache Lösung für das ganze Hexenwerk, einfach keinen Stuhl im Zimmer zu haben.

Man braucht ihn sowieso nicht wirklich, wenn man sein Bett hat, außer vielleicht zum Hausaufgaben machen. Aber leider ist es keine Option den Stuhl zu entfernen, und dafür gibt es natürlich auch einen Grund. Wie gesagt, Aberglaube ist irgendwie unser Ding. So sehr sich die Menschen in unserer Gemeinde davor fürchten einen leeren Stuhl zu vergessen, so sehr fürchten sie sich davor, was passieren könnte, wenn gar kein Stuhl da ist. Man möchte einen Platz für jemanden haben, der einen besuchen könnte.

Sie wollen einfach nicht, dass sie ohne ihre vorherige Zustimmung zu Besuch kommen. Es ist ein sehr seltsames Konzept und ich kann nicht genau sagen, wie es überhaupt angefangen hat. Ich vermute, es ist etwas, dass sich unsere Dorfbewohner vor langer Zeit ausgedacht haben. Wahrscheinlich hat einmal jemand versucht den Stuhl zu entfernen, und hatte dabei ein schreckliches Pech. So, dass sie das Risiko eingingen, den Stuhl mit darauf gestapelten Gegenständen in Ihren Räumen zu haben.

Ich habe mir nie viel aus den seltsamen Ideen und dem Aberglauben unserer Gemeinschaft gemacht. Nicht bis ich verstanden habe, was passiert, wenn man nicht auf sie hört. Man kann nie alle Mitglieder einer Gemeinschaft dazu bringen, sich an die gleichen Regeln zu halten. Manche Menschen sind von Natur aus dagegen, mit dem Strom zu schwimmen. Risikofreudige, Angeber und Adrenalinjunkies. Dann haben sie diejenigen, die als Kinder nie viel zugehört haben und mit alten Traditionen aufwuchsen, die ihnen egal sind.

Vor allem wenn sie alle Arten von Horrorgeschichten lesen und sehen und anfangen zu erkennen, dass etwas nicht unbedingt gruselig ist, nur weil jemand das sagt. Ich vermute, dass viele Kinder jetzt einfach denken, dass die ganzen Sprüche, eine Möglichkeit für ihre Eltern ist sicherzustellen, dass sie ihre Zimmer sauber halten. Und so gab es natürlich diejenigen, die absichtlich einen Stuhl leer hielten, für wen auch immer, falls Besuch kommen könnte. Sie nannten sich selbst mutig, wir nennen sie abschreckende Beispiele. Denn sie alle würden es bereuen, wenn der Besucher kam.

Die Geschichte, die ich am besten kenne, ist die von Billy Tucker. Billy hielt nie viel von den Geschichten, die die Älteren erzählten. Billy mochte es mehr, als alle anderen das Schicksal herauszufordern. Solange er bei seinen Eltern lebte, sorgten sie dafür das er sicher war. Auch wenn es ihm nicht gefiel, aber Billy wurde älter und kaufte sich sein eigenes kleines Haus in der selben Straße wie wir. Es war die erste Nacht, in der er dort allein schläft.

Und ich nehme an, er vergaß den Stuhl oder vielleicht wollte er nur sehen, was passieren würde, wenn er die Phrasen ignorierte, die ihm sein ganzes Leben lang in den Kopf gesetzt worden waren. Am nächsten Tag, sah ich ihn seine Post holen. Er sah müde und beunruhigt aus. Er erzählte mir, dass er ständig dachte es sei jemand in seinem Haus. Aber das war nicht möglich, denn hier ist noch nie jemand in ein Haus eingebrochen. Er erzählte mir, dass er jemanden in sein Ohr flüstern hörte, um ihn aufzuwecken. Als er sich umsah, sah er nichts, außer einer Jacke die vorher nicht da war an seinem Schrank hängen.

Du weißt doch, dass es wahrscheinlich meine Mutter war. Diese Frau ist die personifizierte Angst, scherzte Billy damals. Das war der erste Tag, danach verließ Billy sein Haus kaum noch. Seine Eltern kamen zwar ab und zu vorbei, um Essen zu bringen, aber er ging nie mehr raus. Offenbar verlor er langsam, aber sicher den Verstand. Es dauerte eine Woche, bis seine Eltern ihn erhängt an seinem Schlafzimmerschrank fanden. Es war sicher eine erschütternde Tragödie, aber ich war nicht wirklich davon überzeugt, dass es etwas mit einem Stuhl zu tun hatte.

Billy war ein gestörtes Kind gewesen, das war kein Geheimnis. Doch ob ich nun wirklich daran glaubte oder nicht, spielte keine Rolle. Mein Bauchgefühl, hatte sich mit dem der Gemeinde vermischt. Ob ich nun Angst vor dem leeren Stuhl hatte oder nicht, solange ich in dem fremden Dorf mit all seinen Regeln und Sprüchen lebte, würde ich mich an sie halten. Selbst, wenn es nur um der geistigen Gesundheit meiner Eltern Willen war.

Und das tat ich, all die Jahre hindurch, bis ich weit weg vom Dorf zog. Das Leben in der Großstadt war ganz anders, als ich es mir je vorgestellt hatte. Ich hatte plötzlich ein Gefühl von Freiheit, dass ich vorher nie wahrgenommen hatte. Zuerst war es überwältigend. All die Orte, an die ich gehen konnte und all die Dinge die ich tun konnte. Aber nach einer Weile wurde mir klar, dass ich genau hierher gehörte. Ich fand neue Freunde, bekam eine schöne Einzimmerwohnung und ein neues Gefühl für meine eigene Identität.

Natürlich blieben die Worte, die ich mein ganzes Leben lang gehört hatte bei mir hängen, selbst weit weg von unserem Dorf. Ich nehme an, ein Teil von mir glaubte zumindest bis zu einem gewissen Grad an den Aberglauben. Aber ich glaubte immer, dass ich sie mit mir in meinem alten zu Hause zurückgelassen hatte. Ich habe nicht geglaubt, dass sie mir folgen würden, nicht bis zu jener Nacht. Ich kam ziemlich spät nach Hause, nachdem ich mit ein paar Freunden in der Kneipe getrunken hatte.

Ich konnte kaum die Augen offen halten und ging ziemlich schnell ins Bett. Mit dem letzten bisschen Bewusstsein, hörte ich wie die Tasche auf dem Stuhl in meinem Zimmer zu Boden rutschte. Mein Bauchgefühl sagte mir immer, ich soll hingehen und sie aufheben. Aber mein betrunkener und müder Verstand sagte, dass alles in Ordnung sein würde. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen. Es war noch stockdunkel draußen, als ich durch Geräusche wach wurde. Es hörte sich an, als würde sich jemand in meiner Wohnung bewegen.

Zuerst habe ich nicht viel registriert. Ich habe wohl für einen Moment vergessen, dass ich alleine lebe. Als mir die Kenntnis kam, riss ich die Augen weit auf. Aber mein Herz begann zu rasen und ich musste meine Atmung kontrollieren. Ich nahm all meinen Mut zusammen und bewegte leise meinen Oberkörper nach oben, so, dass ich meine Umgebung inspizieren konnte. Es war niemand da, zumindest, soweit ich es bei schwachen Licht durch mein Fenster erkennen konnte.

Um meine Nerven zu beruhigen, stand ich vom Bett auf und schaltete das Licht ein. Das Gute an einer Einzimmerwohnung ist, dass es nicht viele Räume gibt, in denen sich jemand verstecken könnte. Ich überprüfte die Ecke, in der sich meine Küchenzeile befindet. Ich überprüfte unter meinem Bett und im Badezimmer. Es gab keine Anzeichen dafür, dass jemand drinnen war. Bis ich den Kleiderständer sah. Die meisten meiner Jacken sind schwarz, also fiel es mir nicht sofort auf. Aber da war ein Mantel der nicht zu mir gehörte und ein schwarzer Zylinder.

Mein Blick wanderte zum Boden, und als ich die großen ledernden Schuhe mit dem Schmutz darunter sah, begann mein ganzer Körper an zu zittern. „Hallo“, rief ich in den leeren Raum hinaus. Aber es kam keine Antwort. Natürlich rief ich die Polizei und sie überprüften jede einzelne Ecke. Aber es gab kein einziges Anzeichen dafür, dass jemand Eingebrochen war. Als sie ankamen, waren der Mantel und die Schuhe weg, aber ich sah noch die Schmutzflecken auf dem Boden.

Die Polizei war ahnungslos. Ich bin mir nicht sicher, ob sie dachten ich sei verrückt oder auf Drogen. Aber schließlich gingen sie und ich war wieder allein. Ein Teil von mir fragte sich, ob ich das alles vielleicht nur geträumt hatte oder ob ich den Mantel mit einem meiner eigenen verwechselt hatte. Aber am Ende wusste ich, dass ich mich nur selbst belogen hatte. Jemand war hier drin gewesen und das war meine eigene Schuld, weil ich den Stuhl leer gelassen hatte. Ich dachte mir, dass es eine einfache Lösung für mein Problem gab.

Also stellte ich am nächsten Abend sicher, dass ich genug Gegenstände auf den Stuhl Stapel, um sicherzustellen, dass niemand auch nur daran denken würde dort Platz zu nehmen. Es erschien ein vernünftiger Plan zu sein, wenn man den lächerlichen Aberglauben bedenkt dem ich folgte. Mir war ja doch nicht klar, dass es kein Zurück mehr gab, nachdem man das einmal vermasselt hatte. So ist es Billy ergangen.

In der erste Nacht stellt man die Tat in Frage. Du kannst doch nicht glauben, dass an dem alten Spruch etwas Wahres dran sein könnte, und wie sollte es auch. Man macht sich völlig paranoid. In der folgenden Nacht war ich noch zuversichtlich, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Die Angst vor immer noch sehr präsent. Aber ich glaubte eine Lösung zu haben. Ich hatte Bücher und Kleidung auf meinem Stuhl gestapelt. Und nach ein paar Stunden des hin und her wälzen auf meinem Bett, schaffte ich es einzuschlafen. Was ihr nicht bemerkt ist die Wirkung die der Besucher auf euch hat.

Er fängt an an euren Verstand zu knabbern. Wenn ihr ihn einmal herein gebeten habt, lernt er euren Geruch und wird jede Nacht wieder kommen. Egal wohin ihr geht oder ob ihr die ganze Nacht auf bleibt. Er wird nicht aufhören, bis der Verstand es nicht mehr erträgt. Doch ich wusste das. Ich hatte all die Geschichten gehört. Ich hatte nur nie geglaubt, wie verflucht die wirklich waren. In dieser Nacht wachte ich durch das Geräusch eines Flüsterns auf. Die Worte ergaben für meinen Verstand keinen Sinn, aber sie waren nah und fühlten sich durch und durch unfreundlich an.

Eine Hand streichelte mein Gesicht, aber als ich meine Augen öffnete war niemand zu sehen. Am nächsten Tag überlegte ich, ob ich bei einem Freund bleiben sollte. Aber ich hatte Angst, dass ich ihn mit demselben Schicksal belasten könnte, wenn es mir folgen würde. Also nahm ich mir stattdessen ein Hotelzimmer. Ich wachte auf, als ich ein hohles Lachen hörte. Es hörte nicht auf, bis die Sonne wieder aufging. Tagelang schliefe ich nicht. Wo immer ich hinging, wusste ich, dass es bei mir war, an meinem Verstand nagte und meinen freien Willen verschluckte.

Je weiter die Tage voran schritten, desto deutlicher wurde das Geflüster. Es war als würde es mich auf eine Seite ziehen, auf der wir kommunizieren konnten. Eine Seite auf der ich seinen Worten einen Sinn abgewinnen konnte. „Komm mit mir, du wirst nicht vermisst werden. Deine Wahl ist bereits getroffen“, sagte es mit einer unheimlich krächtzenden Stimme zu mir. Sie flüsterte und lachte, solange bis jeder Moment meines Lebens in der Farbe des Nichts verschwunden war. Ich hatte nur Angst, dass ich nicht zurückkommen könnte, wenn es stark genug zieht.

Genau wie Billy, wir waren ziemlich abergläubisch, das waren wir alle. Wir lebten alle gut und brav, wenn wir dem gemeinsamen Bauchgefühl gehorchten und es enttäuschte uns nie, solange wir auf unsere Sprüche hörten. Daran dachte ich, als jeder andere Gedanken in meinem Kopf keinen Sinn mehr ergab. Ich dachte über die Dinge nach, die mir seid meiner Kindheit gesagt wurden. Die Worte, die einem vielleicht sogar im Leben helfen können, wie beispielsweise, dass wenn ihr wollt, dass ein Besucher euer Haus verlässt, ein bisschen Salz in seine Schuhe streut.

Es war ein langer Versuch. Aber der Besucher war immer höflich genug seine Schuhe und seinen Mantel an der Tür zu lassen. Ich weiß nicht wie dauerhaft der Trick ist. Aber letzte Nacht habe ich endlich wieder alleine geschlafen.

Diese Gruselgeschichte stammt von WorldCreepypasta
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