September 9, 1808 – Dole, Franche-Comté
Mein Name ist Charles Gauthier. Ich bin neunzehn Jahre alt und werde zu dem Zeitpunkt, an welchem diese Schriften wieder das Licht der Sonne erblicken, zum zweiten Mal verheiratet sein, Kinder hüten und weit weg von meiner Geburtsstadt leben. Es gibt kein Grund nach mir zu suchen.
Die Familie, in welche ich einmal einheiratete, war in diesem Vorort der Trübseligkeit verrufen und gemieden. Dole war ein unbedeutender Fleck, doch mochte es gerade deswegen so gewesen sein, dass sich hier der einfache Bürger eine Hierarchie schaffte, in welcher er durch besondere Taten zum Helden aufstieg. Taten, welche in der Großstadt weder Bedeutung noch Besonderheit an sich trugen. So musste es also auch schnell vorangehen, wenn sich eine kleine Gruppe einmal negativ hervortat und so in dieser Hierarchie nach unten katapultiert wurde. Ein Schicksal, welches vermutlich die Fontaine Familie recht früh ereilte, denn schon meine Großmutter berichtete mir vom nebelzerfressenen Fontaine Haus am Rande der Stadt, welches ohne jeden Grund gemieden wurde. Es gab keine Geistergeschichten, keine Leichen im Keller von denen jemals jemand berichtet hätte, dennoch schien es einen grundsätzlichen Verhaltenskodex unter den Leuten zu geben. In der Schule gab es kein Fontaine Kind, auf keinem Fest gab es Angehörige der Familie.
Ich zweifelte als Kind an der bloßen Existenz der Familie, bis zu dem Tag an, an welchem ich mit meiner Mutter im Salon speiste. Sie schalt mich für meinen Freigeist und mein hitziges Temperament, welche mich oft in Schwierigkeiten brachten und erhob mehrmals ihre Stimme um mir zu versichern, dass nun andere Zeiten anbrachen. Meine Zukunft sei nun mein wichtigstes Gut und es wäre an der Zeit, eine Frau zu finden. Ich kannte meine Mutter, es ging hier nicht um Liebe und das Erwachsenwerden, sondern schlicht und ergreifend um Geld, Erfolg und ein Leben mit großem Namen in einer der bedeutenden Städte. Sie hasste ihr Leben hier und ohne analytischen Tiefgang war mir bewusst, dass ich es besser haben sollte und dass sie alles dafür tun würde, mich aus dieser Stadt zu bekommen. Sie ordnete sich stets den anderen unter, denn sie wusste, dass es keine Möglichkeit gäbe ein friedliches Leben zu führen, spielte sie einmal nicht nach den Regeln. Auch ich erhoffte mir etwas anderes, konnte jedoch niemals genau in Worte fassen, was das war und akzeptierte nun den Vorschlag meiner Mutter. Man kann nicht sagen, dass ich überrascht war, aber dennoch mehr als skeptisch, als sie berichtete, dass sie bereits eine Frau gefunden hatte. Stillschweigend nahm ich auf, was sie mir sagte.
Auf dem Geburtstag der Familie Dubois, der kleine Clement war gerade drei geworden, hatte sie ein Mädchen erblickt, dessen Schönheit sofort ihr Interesse geweckt hatte. Ihre Gesellschaft war ihr nicht bekannt, weshalb sie voller Neugier brannte, mehr über die unbekannte Schöne zu erfahren. Bevor meine Mutter weiter von ihr sprach, griff sie nach meinen Händen und hielt sie mit einem warmen Lächeln im Gesicht. Die Dame stellte sich als Ophelia Dumont vor und gab sich freudig dem Gespräch hin, ohne Schauspiel und Maskerade. Sie sei eine gelehrte Schneiderstochter und lebe außerhalb der Stadt. Meine Mutter sprach ganz aufgeregt von ihr und dem Glanz der ihrer Persönlichkeit anhaftete. Ganz genau kannte ich ihren Geschmack nicht, dennoch färbte etwas ihrer Vorfreude an mich ab.
Die Sonne wurde von Wolken verdeckt und ein großer Schatten fiel in den Salon. Dann bat sie mich darum, mich frisch zu machen, da wir Besuch erhielten. Ich ahnte, was geschehen sollte. Nachdem ich mich mit Duftwasser und Seife gesäubert hatte, blickte ich in den Spiegel und sah Unbehagen in meinen Zügen. Der sonst so trotzende und kühne Ausdruck, der mir auflastete, war verschwunden, ich erkannte mich selbst nicht. Da ich nicht verstand, begab ich mich zurück in den Salon. Dort saß meine Mutter nun mit einer jungen Frau. Sie befand sich auf dem Platz, an welchem ich kurz vorher noch gesessen hatte, und war mit dem Rücken zu mir gewandt. Sie trug ein langes cremefarbenes Kleid, dessen Saum ihre Füße bedeckte. Ihre samten Locken fielen wie Gold über die Schultern, weit hinunter. Als beide meine Anwesenheit bemerkten, stand meine Mutter auf, nahm die Hand des Mädchens und führte sie zu mir. Diese Frau war erstaunlich blass, ihre Züge hart, aber dennoch besaß sie Augen wie das Meer und eine Aura hellster Verzauberung. Ich weiß nicht ob ich heute sagen kann, dass ich sofort Hingabe und Lust verspürte, als ich sie sah. Sie war gewiss ein wunderschönes Kind, jeder Mann würde alles für einen ihrer Küsse tun, dennoch war mir vielleicht die Situation unangenehm. Etwas fühlte sich falsch an.
Ich wurde ihr vorgestellt und nachdem wir gemeinsam einige gesprächige Minuten im Salon verbrachten, begab ich mich auf einen Spaziergang durch den Garten mit ihr. Schon bald wechselten wir angeregt Worte und mit jedem Ton der ihren Mund verließ, fühlte ich mich mehr und mehr zu ihr hingezogen. In meinen Augen wurden die ihre heller, der Mund röter und der Busen voller und ihre ganze Gestalt begann zu leben. In den nächsten zwei Monaten begaben wir uns auf einige Feste, stellten uns gemeinsam den Gästen vor, begrüßten gemeinsam die Bekannten. Oft sah ich die Leute flüstern und munkeln, ich nahm an, dass die schöne Unbekannte an meiner Seite ihr Interesse weckte. Ophelia schien niemanden zu kennen, und niemand sie. Fragte ich nach ihren Eltern, wechselte sie schnell das Thema und erläuterte mir nur, dass es sich um beschäftigte Kaufleute handelte. Auf die Frage, mit was sie handelten, antworte sie stets jedem, dass sie Stoffverkäufer wären, nachdem sie Jahrzehnte als Schneider gearbeitet hätten. Ich war über diesen Umstand erstaunt, da es unüblich war, für eine Frau und Mutter an der Seite ihres Mannes zu arbeiten. Diese Thematik wollte Ophelia jedoch nie erläutern, sondern gab nur zur Antwort, dass beide immer Seite an Seite waren.
Nach dem ein weiterer Sommer vorbeigegangen war, kam es zur Vermählung. Nahezu alle Bürger waren eingeladen, gefeiert wurde mehrere Tage lang. Der Umstand, dass weder Vater noch Mutter, überhaupt jemand der Dumont Familie teilnehmen konnte, sorgte für Unmut in meiner Familie und Geschwätz unter den Gästen. Ich feierte jedoch ausgelassen diesen freudigen Anlass und auch Ophelia schien Glück über ihren neuen Umstand zu empfinden. Nach der Hochzeit erkrankte meiner Mutter. Ophelia und ich lebten bis zur Fertigstellung unseres Hauses in Dijon, Burgund noch im Hause meiner Familie in Dole. Meine neue Frau kümmerte sich rührend um sie, stets mit Hingabe und Aufwand hütete sie das Zimmer meiner Mutter, leistete Beistand beim Aderlass und wusch ihren ausgemergelten Körper. Ich empfand den Anschein, dass Ophelia eine merkwürdige Art von Schuld empfand, eine gewisse Pflicht. Da ich mich um viel zu kümmern hatte, war ich jedoch dankbar dafür. Der Arzt konnte uns nicht genau sagen, worum es sich bei der Krankheit meiner Mutter handelte, vermutete er jedoch eine Art von Schwindsucht. Sie verliere stetig an Kraft und Masse, fast als würden ihre Lebensgeister ausgesaugt werden. Ihr Gesicht fiel über die Wochen ein, die Adern leuchteten durch ihre nun blasse Papierhaut. Ein schrecklicher Anblick und noch nie fühlte ich mich so hilflos. Ich hörte Ophelia oft im Garten weinen, wenn sie frische Luft bekommen wollte, nachdem sie wieder für Stunden im Krankenzimmer gesessen hatte.
Im November desselben Jahres verstarb meine Mutter dann, ruhig im Schlaf aufgrund von hohem Blutmangel und Organversagen, wie der Arzt feststellte. Die Trauerfeier fand im engsten Familienkreis statt und für eine Woche war das ganze Haus mit den prächtigsten Blumen und Trauersträußen geschmückt. Meine Verwandten klagten über Gelenkschmerzen und Antriebslosigkeit, über ein Schwinden ihrer Kräfte seit der Sommer vorüber war. Ich hoffte mich nicht anzustecken. Das Testament besagte, dass mein älterer Bruder das Familienanwesen besitzen sollte, weshalb ich nun nicht wusste wohin. Das Haus, welches ich bauen ließ, war noch in den letzten Arbeiten, die Familie meines Bruders zu groß um mit ihnen das Haus zu teilen. Ich wollte keine Umstände machen und hoffte auf Ophelia, fragte sie, ob es nicht möglich sei für die verbleibende Zeit zu ihren Eltern zu ziehen. Ich wusste, dass meine Frau eine hingebungsvolle, hilfsbereite Seele war, dennoch sah ich nie so großen Widerwillen in ihr, ein so großes Zögern und Zaudern, als verlange ich zu viel. Ihre Rückhaltung verursachte auch Skepsis in mir, doch wusste ich nicht, was sonst zu tun war. Ich bekam zuerst keine Zusage von ihr, doch kurz vor Anbruch des Winters, ich weiß es noch genau, weckte sie mich um mir mitzuteilen, dass es wohl wirklich nicht anders ging und dass ihre Eltern Verständnis haben werden. In ihrer Stimme lag Trauer und ihr Blick verriet mir, dass sie Sorge und Mitleid für mich empfand. Vermutlich dachte sie, dass ich immer noch wegen dem Tod meiner Mutter leide.
In der Nacht vor diesem Morgen, war mir jedoch etwas Merkwürdiges aufgefallen. Ich erinnere mich, wie sie sich im Bett wälzte, dann aufstand und das Zimmer verließ. Ich nahm an, dass sie ein dringendes Geschäft zu erledigen, oder einen nächtlichen Durst zu löschen hatte. Im Halbschlaf nahm ich ihre tapsenden Schritte auf der Treppe nach unten wahr, dachte und war mir sicher das sie dann wohl die Küche aufsuchte. Ich nickte wieder ein. Als ich im Garten ein rascheln der Büsche, ein Knacksen und Tuscheln hörte, würde ich wieder hellhöriger, konnte meine Müdigkeit jedoch nicht bekämpfen und nickte wieder ein.
In der darauffolgenden Woche packten wir unsere Sachen und ließen Kutschen mit Dienern zu Ophelias Familienhaus fahren. Es war ein drunter und drüber und alle Beteiligten waren höchst angespannt. Kamen die Diener wieder, um eine nächste Ladung zu holen, waren sie stets vollkommen still, in sich gekehrt und mieden den Blickkontakt. Ich hatte jedoch genug zu tun um mich nicht für die, zu diesem Zeitpunkt, belanglosen Probleme des Gesindes zu kümmern. Als es an der Zeit war, selbst das Haus zu verlassen, aßen wir gemeinsam mit meinem Bruder, seiner Frau und seinen Kindern zu Abend und begossen Sorgen der Zukunft mit Wein. Nach einem herzlichen Abschied, wohlgemeinten Worten und Weisheiten, stiegen meine Frau und ich in die Kutsche. Der Kutscher redete kein Wort, nickte nur als ich ihm die Anweisung gab rasch zum Anwesen der Dumonts zu fahren. Ich hatte kein Bedürfnis, mitten in der Nacht noch lang umherzureisen und ich hoffte, dass mich ein warmes Bett erwartete. Auf die Frage hin, ob ihre Eltern eigentlich anwesend waren, schaute mich Ophelia lang und betroffen an, bevor sie mit den Schultern zuckte. Sie hatte vorher aus dem Fenster geschaut, sodass ich ihre Anspannung nicht bemerkte. Ich wollte ihre Hand halten, sie beruhigen, musste vorher aber die geballte Faust lösen. Ich wollte bisher kein Gedanken daran verschwenden, wieso Ophelia nun so bedrückt und in sich gekehrt reagierte, wenn es um ihre Eltern ging, doch mein Gefühl sagte mir, dass es sich möglicherweise um eine schwierige Bindung handelte. Solche Probleme kannte ich aus meiner eigenen Familie. Mein Bruder besaß nie viel Geld, ihm war kein Erfolg im Beruf vergönnt und hatte sich mit meiner Mutter verstritten, als er eine Frau heiratete, welche vor ihm uneheliche Kinder zur Welt gebracht hatte. Auch er war weder angetan noch freudig, als er das Haus erbte, eine vermutliche Versöhnung von Seiten meiner Mutter, als sie wusste, dass es mit ihr zu Ende ging. Vielleicht gab es ähnliche Geschichten in den Familienkreisen meiner Frau, dachte ich mir.
Als wir angekommen waren und die Kutsche verließen, war ich erstaunt. Das Anwesen lag auf einer leichten Erhöhung außerhalb der Stadt, welche man, wie als ob sie einem den Rücken kehrte, in der Ferne sah. Es gab keinen wirklichen Garten, ein paar alte, wild gewachsene Ranken mit mir unbekannten Blumen schlängelten sich hierhin und dahin, stiegen manchmal an der Veranda zum Haus hoch. An der Seite des Hauses, vom Eingang aus kaum sichtbar, alte Bäume mit dicken, gewundenen Stämmen, wie aus einer Buchillustration. Auf diesem grünen Stück Land neben dem Haus, ohne Zaun und Absperrung, war das Gras schon hin die Höhe gewachsen, vermutlich war es einmal ein Garten, welcher nun von der Zeit speiste und ein Eigenleben führte. Das gesamte Grundstück stand einfach so in der Landschaft, umhüllt vom wabernden Nebel der kühlen, feuchten Nacht. Die Fassade des Hauses war heruntergekommen und alt, so etwas sah man auch in der Stadt, denn schließlich konnten es sich die meisten nicht leisten, Häuser, die noch Urahnen gehört hatten, in Stand zu halten. Der Baustil des Anwesens war etwas außergewöhnlich für diese Gegend, es hatte etwas Koloniales, ganz im Stil der Amerikaner. Die Diener waren bereits am hineintragen der Koffer, während ich wie gebannt vor der Terrasse stand und an dem alten Mann, daran erinnerte mich dieses Haus, hinaufschaute. Ein schmutziges Dachfenster fiel mir ins Auge, als mich Ophelia am Arm griff und mich bat hineinzukommen.
Der Eingangsbereich war ein großes Erdgeschoß mit Marmorboden, welcher an einigen Stellen aufgeplatzt war, in der Mitte ein großer roter Teppich, welcher abgetreten und verstaubt wirkte. Es gingen viele Türen ab und nur eine, die Küche, stand offen und man konnte die Hausmädchen sehen, welche mich hierher begleitet hatten und nun den Steinboden fegten, schrubbten und wischten. Ich bat sie für heute die Arbeit zu beenden und morgen weiterzumachen denn es war kurz nach Ein Uhr morgens. Eine große Treppe im Foyer führte ins obere Stockwerk, durch dessen Balkonrundgang man die anderen Türen sehen konnte. Ophelia nahm mich bei der Hand und führte mich nach oben. Während wir die Treppe hinaufstiegen, überkam mich ein Gefühl des Unwohlseins. Der zermarternde Geruch des Altertums stieg in meine Nase und die ganze Dunkelheit in allen Ecken des Hauses fiel mir in den Blick. Dieser Ort strahlte weder Leben, noch Freude oder Offenheit aus. Wie ich bereits sagte, er war wie ein alter, grimmiger Mann, der sich in der dunklen Nacht von den Eindringlingen bedroht fühlte. Oben angekommen schien Ophelia zu merken, dass mir nicht ganz wohl war. Ein kalter Schweiß trieb mir auf die Stirn und meinen Magen überkam ein Ekelgefühl. Es schien mir, als hätte ich beim Abendessen mit meinem Bruder etwas Falsches gegessen. Ophelia blickte mir betrübt in die Augen und griff an ihren Hals. Sie trug eine Kette, welche mir bis jetzt nicht aufgefallen war, war es doch nicht die, welche ich ihr zur Hochzeit schenkte. Es war ein kühler, blauer Stein an einer einfachen Silberkette, welche sie mit beiden Hände öffnete, abnahm um mir um den Hals legte. Sie sagte dabei nichts und strich mir über die Wange, nachdem ich spürte, wie sie die Kette schloss. Sie ging mit mir zu einer Tür auf der Westseite, blieb mit mir vor ihr stehen und öffnete sie. Ophelia sagte, dass dies mein Schlafgemach sei, ihres war genau gegenüber auf der Ostseite. Ich konnte wohl meine Verblüffung nicht verbergen, denn sie reagierte sofort nachdem sie das gesagt hatte, erzählte, dass ihre Eltern es wohl nicht begrüßen würden, wenn wir uns ein Zimmer teilten. Dass ich enttäuscht war, konnte ich nicht leugnen, beugte mich aber dem Willen der Unbekannten, welche es wohl am besten nicht zu verärgern galt, wie mir das bisherige Verhalten meiner Frau bewies. Sie schloss die Tür hinter mir ohne mich noch einmal anzusehen.
Das Zimmer war nicht besonders groß. An der Wand neben der Tür war das große Bett, bedeckt von einer alten, muffigen Samtdecke. An der Fensterseite stand eine Kommode, ein Schrank und ein kleiner Tisch mit einer Waschschüssel. Ich erkannte, dass die Dienerschaft bisher nicht genügend Zeit zu haben schien, waren noch Staubschichten und Spinnweben zwischen dem Mobiliar zu sehen. Ich war zu müde um noch Interesse dafür zu zeigen und entkleidete mich vor dem Kommode und legte die Sachen darauf. Als ich zu Bett gehen wollte, fiel mir auf, welch riesige, unendliche Dunkelheit gegenüber der Fensterseite herrschte. Das Licht des Mondes konnte kaum das Bett erreichen und ließ das restliche Zimmer im nichts verschwinden. Ein Schauer überkam mich und ich schlich mich erschöpft ins Bett und schlief schnell ein.
Am nächsten Tag ging Ophelia direkt nach dem Frühstück auf einen Spaziergang. Sie sah, wie in letzter Zeit so oft, sehr bedrückt aus, trotzdem ließ ich sie alleine gehen. Ich entschied mich, das Haus ein wenig zu erkunden und bat währenddessen die Dienerschaft in allen Zimmer vernünftig sauber zu machen. Wie immer sprachen sie kein Wort mit mir und nickten nur untergiebig. Die meisten Zimmer mussten einmal prächtig eingerichtet worden sein. Bücherregale, zahlreiche Tierfelle und Waffen an den Wänden und sogar zwei große Feuerstellen. Jedoch, wie auch das ganze Haus, war es auch am Tage alles in Trübsal und dem alten Muff vergangener Jahrzehnte gehüllt. Immer wieder und fast in jedem Zimmer, fiel mir auf, dass es Stellen gab, die kein Sonnenstrahl erreichte und selbst zur Mittagsstunde nichts als Finsternis waren. Möglicherweise war es die Position des Hauses, die Architektur der Innenräume, dachte ich mir. Als ich beschloss das Zimmer meiner Frau anzuschauen, war ich sehr erstaunt, war es doch exakt dasselbe, wie das meine, nur spiegelverkehrt. Auch hier gab es eine Ecke tiefster Dunkelheit, welche mich wie durch Telepathie aus dem Raum verscheuchte.
Nach einigen Wochen in diesem Haus hatte ich mich eingelebt und mich auch zum großen Teil an die Eigenarten gewöhnt. Ich musste oft in die Stadt und verbrachte nur meine freien Tage auf dem Anwesen, während Ophelia die ganze Woche über hierblieb. Sie besuchte die Stadt nicht mehr und ging sich nur im umliegenden Gebiet die Füße vertreten. Was sie dazu brachte, sich so abzusondern, wusste ich nicht und auch die Dienerschaft berichtete, dass sie oft ihr Zimmer nicht verließ und wenn, ohne Worte nach draußen ging, fast so, als wäre niemand anwesend. Ihr geisterhaftes Verhalten bereitete mir Sorgen, ich konnte jedoch nichts tun da mich die Arbeit sehr auslastete.
In manchen Nächten hörte ich langsame, mal schnelle Schritte im Foyer, auch im oberen Stockwerk. Ich hätte schwören können, dass es Einbrecher waren, hätte ich nicht gewusst, dass genügend Dienerschaft im Hause war. Ich interessierte mich nicht weiter dafür, doch als ich Ophelia erneut auf ihre Eltern ansprach, welche ich nun wirklich langsam kennenlernen sollte, berichtete sie mir, dass sie bereits ein paar Male anwesend waren um sich für weitere Reisen frisch zu machen und erneut zu packen. Diese Gespräch versetzte mich in einen Schock. Nicht nur, dass Ophelias Eltern anscheinend heimlich im Haus herumschleichten, sondern auch die Tatsache, dass sie sich vollkommen verdeckt hielten und am Tage wieder verschwunden waren. Ich bat sie das nächste Mal beide zu bitten, doch zum Frühstück zu bleiben. Sie versprach ihr Möglichstes zu geben, beide zu überreden.
Wie ich es ahnte, geschah natürlich nichts dergleichen. Als wäre das nicht genug, wurden zwei Hausmädchen krank, nachdem ich von einer einwöchigen Reise zurückkam. Sie klagten über Schwäche und Schwindel, welche sie fast ans Bett fesselten. Beide gaben an einen sehr schlechten Schlaf zu haben, weswegen ich sie ins städtische Krankenhaus schickte und ihnen für eine Woche freigab. Seltsamerweise veränderte sich nicht nur die Situation im Haus sondern auch meine Frau. Sie war schon immer schlank gewesen, doch nun schmälerten sich ihre Arme zunehmend und ich konnte ihre Schlüsselbeinknochen immer klarer erkennen. Ich trug den Dienern hinter ihrem Rücken auf, größere Portionen Mittag- und Abendessen für sie bereitzustellen. Schon nach wenigen Tagen, fast so als hätte diese Anordnung einen Starrsinn, eine Gegenbewegung hervorgerufen, war ihr Körper noch ausgemergelter. Die Bedeutung hinter dieser Situation war mir schleierhaft, ebenso wie ein Mensch so schnell abnehmen konnte. Ich beauftragte die Diener aufzupassen, dass sie alles aufaß, bis zum letzten Bissen und ohne Widerworte. Kurz darauf berichteten sie mir, dass sie keine Anstalten gemacht hätte, alles aufzuessen. Trotz alledem wurde ihr Zustand schlechter. Kam ich von der Stadt wieder, war sie noch dünner geworden. Ihre Haut war weiß, ihre markanten Gesichtszüge waren durch die hervorstechenden Wangenknochen überbetont und der Glanz ihrer goldenen Haaren war einem matten Ton gewichen. Ophelia war ein Schatten ihrer selbst geworden. Sie sprach kaum mit mir und brummelte vor sich hin, sagte, sie müsse dringend nach draußen.
Ein Diener bat mich neue Blumen aus der Stadt mitzubringen, was mich verwunderte, hatte ich doch stets neue für Ophelia mitgebracht. Er erzählte, dass meine Frau nun öfter das Haus verließ und ihn gebeten hatte, immer einen Strauß Blumen an die Eingangstür zu legen, damit sie ihn mitnehmen könne. War ich auch verwundert, schien es mir eine harmlose Angelegenheit zu sein, also tat ich worum er mich bat.
Zwischenzeitlich liefen meine Geschäfte schlecht. Handelspartner hatten seit einiger Zeit weniger Interesse am Geschäft und als wäre das nicht genug, fielen immer mehr Diener der mysteriösen Krankheit zum Opfer. Ich bat einen Arzt mich im Anwesen zu besuchen. Ich blieb drei Tage in der Woche, damit ich von ihm selbst hören konnte, was er zur Dienerschaft zu sagen hatte. Er untersuchte gewissenhaft jeden einzelnen und war erst zum Abend fertig. In einem der Kaminzimmer setzten wir uns auf ein Glas Rhum-Agricole zusammen. Er erklärte mir, dass Ruhe und Stille, sowie kalte Lappen auf der Stirn wohl vorerst helfen müssten. Er konnte sich jedoch nicht erklären, wie es dazu kommen konnte, dass die Bediensteten so mager waren und erheblichen Blutverlust erlitten hatten. Ich bat ihn anschließend um eine Untersuchung meiner Frau. Ophelia öffnete ihre Zimmertür nicht und antwortete mit kraftloser Stimme durch die Tür, um eine Verschiebung auf die nächste Woche. Ich schickte den Arzt verzweifelt nach Hause, bezahlte ihm mehr Geld als ihm zustand, da er sich um so viele meiner Angestellten gekümmert hatte.
In der darauffolgenden Woche kündigte ein Hausmädchen und ein Kutscher, ihr Mann. Sie berichtete mir, dass ihr das Haus nicht guttat, dass eine schlechte Luft in den Zimmern herrschte und die Feuchtigkeit ihrem bereits erkrankten Körper zu schaffen machte. Ich ließ sie gehen, bezahlte ihr aber den letzten Monat nicht. In meinem Kopf herrschte vollkommene Verwirrung. Als kurz darauf ein weiterer Bediensteter kündigte, ging ich entsetzt in die Stadt, um Ersatz zu suchen. Als ich am Haus meines Bruders ankam, sah ich meine ehemalige Angestellte Angelique mit ihm sprechen. Beide standen am Eingangstor und beendeten ihr Gespräch, als sie mich kommen sahen. Sie verabschiedete sich von ihm, sah mich nicht einmal an und verschwand Richtung Innenstadt. Mein Bruder bat mich hinein und ich konnte nicht anders, als ihn sofort über die Umstände zu fragen. Außerdem berichtete ich von meiner Verzweiflung mit der Dienerschaft, meiner Frau und natürlich den seltsamen Vorkommnissen mit Ophelias Eltern. Er lauschte gewissenhaft und sprach mir Mut zu und ich verspürte schnell eine Linderung meines betrübten und verrauchten Schädels. Als er mir dann erzählte, was Angelique von ihm wollte, konnte ich mein Entsetzen nicht zurückhalten. Er versicherte mir, dass er sie niemals einstellen würde, nach dieser Sache und ich erklärte ihm lauthals, dass er bloß nicht auf die Idee kommen sollte diesen Schwachsinn zu glauben. Ich hatte keine Lust mehr, neue Hausmädchen zu suchen und begab mich zur Kutsche. Ich ignorierte meinen zum Abschied winkenden Bruder und verfiel in Gedanken.
Angelique hatte ihm berichtet, dass das Anwesen verflucht sei und irgendwelche Wesen in der Nacht von draußen das Haus betreten und den Einwohnern Schaden zufügen. Außerdem sollte er sie in seinem Haus einstellen. Wie kam sie auf diese Geschichte? Ich war entsetzt und ging sofort als ich angekommen war, zu meiner Frau.
Ihre Zimmertür stand offen und als ich das Zimmer betrat, lag sie, nein eigentlich saß sie im Bett, die Decke fast komplett vor ihr Gesicht gehalten. Ich blieb einen Moment im Türrahmen stehen um zu sehen, was dort vor sich ging, als sie sich aber nicht weiter bewegte, ging ich langsam auf sie zu. Voller Angst, mit großen Augen, kaltem Schweiß auf der Stirn, welcher wie Perlen auf ihrer weißen Haut anmutete, sah sie in eine Ecke des Zimmers. Ich berührte sanft ihre Schulter, ich merkte wie sie ganz leicht zusammenzuckte, setzte mich dann langsam auf ihr Bett und flüsterte ihr leise zu. Ich wollte wissen, was geschehen war. Keine Antwort. Auf meine Frage, ob ihr jemand etwas getan hätte, keine Antwort. So saß ich minutenlang da, ohne dass ein Wort von ihren Lippen fiel. Als ich voller Verzweiflung aufstehen wollte um einen kühlen Lappen für ihre fiebrige Stirn zu holen, begann sie dann leise zu säuseln. Zuerst verstand ich nichts, erst als ich mich wieder zu ihr aufs Bett setzte. Sie atmete leise Worte und alles was ich verstehen konnte war, dass sie von etwas angekaut wurde. Sie sagte, dass sie beobachtet wird. Es kaut an ihr. Es kaut an ihr, jetzt wo der Stein weg ist. Es überkam mich ein Schauer. Ich folgte ihren starren Augen und blickte in die dunkle Finsternis der Zimmerecke.
Ich verließ das Zimmer und wollte schnell in die Küche um meine trockene Kehle zu stillen. Ich ging den Balkon entlang, die Treppe hinunter und öffnete die Küchentür. Zwei Dienstmädchen und ein Kutscher, welcher sich gerade mit Wasser und Brot stärken ließ, befanden sich im Raum. Sie schauten mich an, dann schnell zum Boden und woanders hin. Ich hatte keine Empathie mehr für das komische Verhalten der Dienerschaft, ging zum Küchentisch, schenkte mir Wasser ein und trank. Das kühle Nass schien ein wenig von dem Schrecken davonzujagen, den mir dieses Haus bisher gebracht hatte. Ich stellte das Glas auf den Tisch, mit zu viel Kraft, sodass es einen Knall gab und alle zusammenzuckten. Ich hatte es nicht vor, aber wie von dem Geräusch angespornt, schrie ich die drei Angestellten an. Ich sagte ihnen, dass sie dem Lügengeschwätz von Angelique keinen Glauben schenken brauchen, ja nicht auf die Idee kommen sollten, Gerüchte in der Stadt zu verbreiten und gerne gehen könnten, wenn sie meiner Frau nicht helfen wollen. Sie waren nun noch tiefer in sich gefahren und starrten irgendwelche Punkte im Raum an, als könnten sie mich, das furchtbare Monster, nicht ansehen. Der Kutscher nahm schnell einen letzten Schluck, stand auf, verbeugte sich und verließ schnell den Raum. Das Hausmädchen Camille sah mich an und in ihren Augen sah ich Verzweiflung und Schrecken. Ich verspürte vollkommene Überforderung und all meine Kräfte schwanden. Dann fragte sie mich ob ich wüsste, um was für ein Haus es sich handelt. Was sollte das? Warum fragte sie mich so was? Ich entgegnete ihr mit Gegenfragen und fühlte mich in die Ecke gedrängt. Sie entschuldigte sich bevor sie sagte, dass dieses Anwesen, ob es nun den Dumonts gehört oder nicht, das Haus der Familie Fontaine war. Ein ekelhafter Schauer stieg in mir auch, ich musste mich selbst daran erinnern zu atmen. Die beiden Dienerinnen verließen den Raum und ließen mich allein. Ich setzte mich an den Küchentisch. Wie konnte es sein, dass ich mich in dem Haus befand, vor dem mich schon meine Großmutter gewarnt hatte? Niemals hatte jemand gesagt, dass die Fontaines verstorben sind, also mussten sie doch irgendwo leben?
Ich wusste nicht wohin mit meinen Gedanken, mein Schädel brummte und ich hatte das Gefühl, dass mein Gehirn in meinem Kopf in tausend Stücke zerspringt. Langsam stand ich auf, ging in das Foyer und die Treppe rauf und begab mich auf mein Zimmer. Ich legte mich auf das Bett und schloss die Augen. Meine Verzweiflung trieb mich in tiefe Gefilde meiner Gedanken und Sehnsucht nach Freundlichkeit und Licht stiegen in mir auf. Ich konnte nicht fassen, was um mich geschah, konnte nichts greifen und mir nichts erklären. Ich wollte versuchen, dass Puzzle von Fragen zusammenzubringen, zu lösen, aber ich hatte Angst vor Antworten. Dieses Haus, oder was auch immer hier passierte, war eine Antwort. Ich wollte sie nicht hören und schlief langsam ein.
Ich erwachte plötzlich und mitten in der Nacht, polternde Geräusche im Haus drangen an mein Ohr. Der fahle Mondschein fiel ins Zimmer und der Staub tanzte wie wild in der Luft. Es war kühl und das dreckige Fenster stand leicht offen, sodass ich fror und einen Mantel anzog, den ich am Vorabend über einen Stuhl gelegt hatte. Dabei fiel mein Blick zur Seite, zur dunklen Ecke. Ich konnte wie immer nichts sehen. Bevor ich verrückte Gedanken entwickeln konnte, drehte ich mich zur Tür um. Ich nahm den alten, metallenen Knauf in die Hand, drehte ihn langsam und spähte auf den nächtlichen Flur des muffigen, alten Hauses. Meine Augen brauchten ein paar Sekunden, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich tat ein paar Schritte auf den Balkonrundgang und spähte hinunter in das Foyer. Durch die Fenster schien auch hier der Mond, erreichte wie in jedem Zimmer aber nicht einmal die Treppe. Mein Blick wanderte umher, um den Ursprung der Geräusche zu erhaschen, wanderte von Tür zu Tür, welche alle geschlossen waren. Niemand war im Foyer. Ich schaute die Treppe entlang, hinauf zum oberen Stockwerk auf dem ich mich befand. Auf der Ostseite waren die hinteren Türen ebenfalls geschlossen, doch dann fiel mir Ophelias Zimmertür ins Auge. Weder war sie geschlossen noch gehörte sie zum Schattenspiel des Hauses, denn aus ihr traten silbrige Fäden des Mondscheins. Langsam ging ich auf das Zimmer zu, Meter für Meter über den kalten dunklen Flur des Balkonrundgangs. In der Mitte hing das Familienwappen mit Säbel und Lanze als stolzer Repräsentant der Familie dieses Hauses. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass der Buchstabe F, kein D, auf die eine Ecke des Schildes graviert war. Alles war rostig und verstaubt und von der Zeit gezeichnet. Ich nahm vorsichtig den alten, sperrigen Säbel ab, indem ich ihn aus seiner metallenen Halterung nahm. Ich bemerkte wie meine Hand zitterte und in meiner Angespanntheit mir die Finger schmerzten, da sie sich an den Griff des Säbels klammerten. Eine Schweißperle lief mir ins Auge. Ich war bei Ophelias Tür angekommen, als ich den brennenden Tropfen aus dem Augen zu wischen versuchte. Irgendetwas ging in dem Zimmer vor sich. Die Aura, die aus diesem Zimmer hervorging, war diabolisch, abgrundtief böse und für keine Menschenseele aussprechbar. Es raschelte und die Dielen knarzten als ob jemand über sie schlich. Es war kein Platz für dunkle Fantasien, denn zum ersten Mal in meinem Leben war das Böse eindeutig vor mir, nur eine Tür trennte uns. Jetzt oder nie.
Ich konnte nicht zögern, stieß die Tür mit gewaltiger Kraft mit meinem rechten Arm auf, den Säbel fest und kampfbereit in der linken. Ich blickte sofort zum Bett in welchem Ophelia, anscheinend schlafend, wie tot dalag und konnte nicht erkennen, in welchem erbärmlichen Zustand sie sich befand. Dann sah ich eine namenlose verhüllte Gestalt, welche sich bedrohlich über sie gebeugt hatte wie ein seelenzerreißender Höllenhund mit dem bleichen Handgelenk Ophelias im Mund. Hinter diesem unheiligen Wesen, welches auf dem tiefsten Höllensumpf stammen musste, stand eine weitere große, recht breite Kreatur, ebenfalls eingehüllt in einen nichtidentifizierbaren Stoff. Es schien mir, als hätten sich die beiden Teufel in die Nacht selbst gehüllt. Von meinem lauten Erscheinen überrascht, blickten mich beide an und ich konnte grad noch erkennen wie dem Grauen auf dem Bett, anscheinend weiblicher Natur, dunkles Blut aus dem Mund lief, verschmiert in ihrem ganzen Gesicht als wäre es süßer Zuckerguss für Kuchen. Ich konnte einen gellenden Schrei nicht unterdrücken, ging ein paar Schritte rückwärts und rannte panisch zur Treppe. Es polterte hinter mir, als ob sich die Hölle selbst auftat und ich stolperte die Stufen hinunter, riss die Eingangstür auf und stürzte die Veranda hinunter.
Ich landete im Staub, keuchte und hustete, ein Wunder, dass ich mir nicht alle Knochen brach. Mein Herz schien aus meiner Brust zu platzen und meine Beine fühlten sich an wie Wasser, sodass ich vermutete, wohl nie wieder aufstehen zu können. Dann blickte ich nach oben und sah die Stadt in der Ferne. Wie ein Schiff, welches sehnsüchtig den Hafen erblickt, war mein Blick auf die Häuser und den Kirchturm der Stadt gerichtet. Hinter mir nahm ich knarzen und quietschen, bellen und keuchen, wie von Monstrositäten unglaublichster Natur, aus dem Haus wahr und mir wurde bewusst, dass sie mich gleich finden würden. Meine aufgescheuerten Hände stützen mich vom Sandweg hoch, ich sprang auf und wollte mich bei den Bäumen verstecken, an der Ostseite des Hauses. Meine Füße trugen mich zu dem Ort, wo das Gras mit ungeahnt absonderlichen Kräften hochwucherte und ein feucht stinkender Geruch in die Luft stieg. Ich war noch nie vorher an dieser Stelle gewesen, nur Ophelia kannte die Landschaft um unser Haus vermutlich besser als jeder andere. Die Bäume zu denen ich mich eilen wollte, konnte ich jedoch nicht erreichen, da ich vorher Halt machen musste.
Vor mir, im aufgewühlten modrigen Boden zwischen dem Gras, steckten zwei dunkle Steine. Beide waren unförmig, deformiert und von Wind und Wetter zerstört. Ich bückte mich voller Schrecken hinunter und meine Augen konnten in der Dunkelheit gerade noch die Inschrift beider entziffern. Auf dem einen : „Georgette Fontaine“, auf dem anderen: „Adolphe Fontaine“ , wenn auch vom Alter stark gezeichnet und so schwer leserlich. Ich sprang vor Schreck hoch, Abgründe meiner Seele taten sich auf und in diesem Moment muss ich verrückt geworden sein. Die Eingangstür knallte. Das Geräusch dämonischer, paranormaler Kraft durchdrang die Luft und Ich griff instinktiv an meinen Hals, wo Ophelias Kette hing.
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