Dann zeigte mir der antike Spiegel etwas Albtraumhaftes. Etwas fürchterliches. Etwas so abscheuliches, dass ich noch Jahre danach von bösen Träumen verfolgt wurde. Doch der Fluch blieb bis zum heutigen Tag.
So stand ich damals vor dem antiken Spiegel – denn ich sammelte antike Gegenstände. Doch sah ich nicht nur mein Spiegelbild, sondern eine dunkle Gestalt schien sich schemenhaft vor meinem ärmlich-bäuerlichen Antlitz abzuzeichnen.
Zuerst kaum deutbar wie ein zarter Schatten in einer dichten Nebelnacht. Ich bildete mir nichts darauf ein. Vielleicht nur eine Illusion wie in einem Zerrspiegel. Mein Vater war zu dieser Zeit krank und bettlägerig, Mutter schon einige Jahre tot und ich war kurz davor den Familienbauernhof mitsamt Inventar zu erben.
Eine Mammutaufgabe, wie ich mir damals dachte, zu der ich noch nicht bereit war. Und dann dieser antike Spiegel, den ich an unsere alte morsche Wand hing. Passend, wie mir schien, doch er strahlte eine mysteriöse Macht aus. Und jedes mal wenn ich an dem Spiegel vorbeiging, bildete ich mir ein, dass die grauenhafte Gestalt deutlicher zu erkennen war.
‚Sieh nicht in den Spiegel‘, riet mir mein kranker Vater. ‚Er ist verflucht. Blickst du hinein, so wird das Böse stärker. Sieh nicht hinein.
‚Doch ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, erneut in den antiken Spiegel zu blicken. Diesmal war nicht nur die Gestalt deutlicher denn je zu erkennen, nun zeichneten sich auch noch zwei tiefschwarze Höhlen in seinem Kopf ab.
Augen?
Jedenfalls sahen diese Höhlen nach Augen aus. Augen ohne Augäpfel. Nur zwei schwarze Löcher. Zitternd, doch mutig, ging ich langsam auf den Spiegel zu. Die Kreatur schien an Größe zugenommen zu haben und nun unmittelbar hinter dem Spiegelglas zu stehen.
Mein Herz pochte. Mein Atem kam in Stößen. Mutig, oder besser gesagt verrückt, nahm ich ein schwarzes Tuch, warf es auf den Spiegel und verhüllte ihn. Zusätzlich schob ich einen alten Schrank vor den Spiegel.
Trotz meines Mutes getraute ich mich nicht, den Spiegel zu berühren oder gar abzuhängen, denn die Gestalt war wie ein wahr gewordener Albtraum. Noch am gleichen Tag vernahm ich einen lauten Knall. Etwas schweres ist auf den Holzboden gefallen. Als ich dem Geräusch folgte sah ich, dass der Schrank, dieser schwere antike Schrank, auf dem Boden lag. Umgeworfen.
Das schwarze Tuch weg. Der Spiegel mit der scheußlichen Kreatur entblößt. Wie konnte das passieren? Mir wurde schwindelig vor Angst.
‚Sieh nicht mehr hinein‘, rief mein Vater aus seinem Zimmer. ‚Blickst du hinein, wird das Böse stärker und der Spiegel zu einem Tor in unsere Welt. Zerstörst du ihn, trifft dich der Fluch.
‚Ich dachte nur daran diesen Spiegel zu zerstören, um endgültig von den höllischen Blicken dieses Monsters befreit zu werden. Als erstes fiel mir meine Armbrust ein. Meine treue Armbrust, mit der ich früher mit meinem Vater Wild jagte. So nahm ich das gute Stück zur Hand, legte einen Bolzen ein und zielte damit auf den Spiegel und die albtraumhafte Gestalt.
Ich dachte in einem Fiebertraum gefangen zu sein, als ich beobachtete, wie die Gestalt doch tatsächlich den Spiegel zu verlassen versuchte. Es griff durch das Glas und berührte die morsche Wand. Dann sah es auf und blickte mir direkt in die Augen.
Ich drückte ab.
Der Bolzen sauste davon, traf den Spiegel genau in der Mitte und er zerbrach. Aber die Kreatur lag nun auf dem Boden. Inmitten der Spiegelscherben. Ich ging darauf zu. Es hob rasch den Kopf, blickte mich an und fuhr dann ohrenbetäubend in…meinen kranken Vater, der nun im Türrahmen seines Zimmers stand und die Kreatur anstarrte.
Ich habe dem Bösen dazu verholfen, in Gestalt meines Vaters in unsere Welt einzukehren.
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Auch nicht schlecht aber so gruselig fande ich die jetzt nicht
Ja stimmt das. Ist nicht schlecht aber gruselig ist es auch nicht