Es war eine windige Herbstnacht. Der kleine Jonas lag in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Der Regen prasselte gegen das Fenster, und der Wind ließ die Äste vor seinem Zimmer schaurig kratzen. Er zog die Decke bis ans Kinn und versuchte, die Augen zu schließen. Doch plötzlich hörte er ein leises Klopfen.
Tok … tok … tok.
Jonas blinzelte verschlafen und sah zum Fenster. Zuerst dachte er, es sei nur ein Ast. Doch dann spürte er, wie sein Herzschlag schneller wurde. Draußen, im Dunkeln, standen zwei riesige, dürrdünne Gestalten. Ihre Körper waren so groß, dass sie sich bücken mussten, um durch das Kinderzimmerfenster hereinzustarren. Ihre Gesichter waren schmal, bleich und viel zu lang, die Augen schwarz wie nasses Glas. Jonas hielt den Atem an. Er wollte schreien, aber kein Laut kam aus seiner Kehle.
Die Wesen bewegten sich nicht – sie starrten ihn einfach nur an. Minuten vergingen, oder vielleicht auch Stunden, bis Jonas vor Erschöpfung die Augen schloss. Am nächsten Morgen erzählte er seinen Eltern von den „Männern am Fenster“. Sie lächelten nur nervös und sagten, er habe schlecht geträumt. Doch als Jonas in der Schule war, ging seine Mutter in sein Zimmer, um das Bett zu machen.
Als sie das Fenster öffnete, stockte ihr der Atem: Im Schlamm direkt unter dem Kinderzimmerfenster waren gigantische, knochige Fußabdrücke zu sehen – viel zu groß für irgendeinen Menschen. In der Nacht darauf hörte Jonas wieder das
Tok … tok … tok.
Diesmal kam es aber nicht vom Fenster. Langsam, ganz langsam, drehte er sich um – und erstarrte. Die dünnen Kreaturen standen bereits IN seinem Zimmer.Und diesmal schauten sie ihn nicht nur an.Sie beugten sich über sein Bett. Und dann wurde es schwarz.
Am nächsten Morgen war Jonas verschwunden. Nur das zerbrochene Fenster und lange, schmale Fingerabdrücke an der Wand zeugten noch davon, dass er jemals dort gewesen war.— Die Polizei suchte tagelang nach Jonas. Ohne Erfolg. Kein einziges Haar, keine Spur außer den unheimlichen Abdrücken im Schlamm. Die Eltern waren verzweifelt – und dann begann es, im Haus zu spuken.
Immer wenn die Mutter den Spiegel im Flur putzte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Denn ganz kurz meinte sie, Jonas darin zu sehen:
Blass, mit weit aufgerissenen Augen, als würde er sie anflehen. Doch jedes Mal, wenn sie blinzelte, war es verschwunden. Eines Nachts hörte der Vater Geräusche aus Jonas’ Zimmer. Leises Kratzen. Er ging hinein – das Zimmer war leer. Nur der Spiegel an der Wand war beschlagen, als hätte jemand direkt davor geatmet. Darauf waren mit einem Finger Worte geschrieben:
„Sie schauen durch alle Fenster.“
Der Vater stolperte zurück, sein Herz raste. Im selben Moment begann das
Tok … tok … tok.
Es kam von draußen – von allen Fenstern gleichzeitig.Die Eltern wagten einen Blick hinaus.Und dort standen sie: die riesigen, dünnen Gestalten. Nicht zwei. Nicht drei. Sondern dutzende. Ihre schwarzen Augen glänzten im Mondlicht. Plötzlich flackerte das Licht im Haus, und aus jedem Spiegel, aus jedem dunklen Glas, sahen sie Jonas’ Gesicht.
Sein Mund öffnete sich langsam – und eine Stimme flüsterte:
„Jetzt seid ihr dran.“
Das Glas splitterte, die Fenster sprangen auf, und die Kreaturen kletterten hinein.Niemand hat die Familie je wieder gesehen.—
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